Bei FSME-Risikogebieten denkt man häufig an Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg. Das Emsland in Niedersachsen gehört sicherlich nicht zu den Regionen, die man automatisch mit Zecken in Verbindung bringt.
So war es auch bei Thorsten Hundertmark. Das Thema Zecken spielte lange Zeit keine Rolle für den heute 53-jährigen Taxiunternehmer aus Lingen im Emsland. Als aktiver und lebensfroher Mensch ist er häufig mit seiner Familie und seinem Hund in der Natur unterwegs. Dass er sich hierbei mitten ins Zeckenrevier begibt, war ihm dabei lange nicht bewusst.
Auf einer Gassirunde wird Thorsten Ende 2017 unbemerkt von einer Zecke gestochen, die durch ihren Speichel die Viren der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auf den nichtsahnenden Hundehalter überträgt. Die daraus resultierende FSME-Erkrankung reißt ihn komplett aus dem Leben. Er liegt mehrere Wochen lang im Koma, ist danach ein Pflegefall und muss Fähigkeiten wie Schlucken und Laufen neu lernen. Gemeinsam mit seiner Frau und seiner Familie kämpft er sich zurück ins Leben, so dass er heute, sechs Jahre danach, seinen Beruf als Taxiunternehmer, mit Einschränkungen und der Unterstützung seines Sohnes, wieder ausüben kann. Damit Anderen ein ähnliches Schicksal erspart bleibt, möchte der Emsländer mit seiner Geschichte über die möglichen Gefahren durch Zeckenstiche aufklären und zur richtigen Vorsorge aufrufen. Insbesondere in FSME-Risikogebieten, wie es das Emsland mittlerweile ist, rät er allen, sich zur FSME-Impfung beraten zu lassen: “Hier im Emsland wird die Impfung mittlerweile sogar von den Krankenkassen übernommen. Ein Grund, einfach mal beim Arzt vorbeizuschauen und sich beraten zu lassen.” Auch die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung allen, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten oder einen Urlaub bzw. Aufenthalt dort planen und mit Zecken in Kontakt kommen können.
Seine FSME-Erkrankung wurde gerade noch rechtzeitig erkannt
Ende 2017 entwickelt Thorsten Hundertmark erste Symptome. „Das ging bei mir freitags los, ich fühlte mich sehr schwach und dachte erst, dass ich einen grippalen Infekt hätte“, berichtet er. Schnell verschlechtert sich sein Zustand, so dass er sich ein paar Tage später entschließt, seinen Hausarzt aufzusuchen. Gerade noch rechtzeitig, wie sich zeigt: „Auf dem Weg zum Arzt traten dann auch schon die ersten Lähmungserscheinungen auf, ich erinnere mich, dass ich meine rechte Hand nicht mehr bewegen konnte.“ Der Arzt erkennt die Schwere der Situation und lässt Thorsten durch einen Rettungswagen ins Krankenhaus einweisen.
Nach der ersten Behandlung steht dort zunächst die Diagnose Schlaganfall im Raum. Als sich dieser Verdacht nicht erhärtet, vermuten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Nervenentzündung. Eine Chefärztin hat dann jedoch den rettenden Gedanken und veranlasst die Entnahme von Nervenwasser aus der Wirbelsäule. Als die Ergebnisse vorliegen, steht die korrekte Diagnose fest: Thorsten hat FSME.
Für den damals 47-jährigen kommt die Diagnose gerade rechtzeitig. Kurz nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus fiel er für 14 Tage ins Koma „Als ich wieder wach wurde, sagten die Ärzte: dass ich rechtzeitig zum Arzt gegangen bin, habe mein Leben gerettet“, so Thorsten über seinen damaligen Gesundheitszustand.
Nach seiner Erkrankung war Thorsten ein Pflegefall
Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus beginnt ein langer, beschwerlicher Weg zurück ins Leben. Als Folge der FSME ist seine rechte Körperhälfte gelähmt, er ist zunächst auf einen Rollstuhl angewiesen. Durch die Lähmungserscheinungen ist er sogar beim Essen und Trinken auf Hilfe angewiesen ist. „Ich war ein Pflegefall. Die Probleme fingen schon an, wenn ich mich aufs Sofa gelegt habe, denn ich kam allein nicht mehr hoch. Geduscht habe ich im Sitzen. Meine Frau war mir in dieser Zeit eine große Unterstützung“.
Neben seiner Reha ist er auf weitere Therapien angewiesen, um sich wieder im Alltag zurechtzufinden. Er beginnt eine Physio- und Ergotherapie und besucht zweimal die Woche eine Logopädin, die ihm dabei hilft, sein Sprachvermögen wiederherzustellen. Die Mühen zeigen schlussendlich Wirkung: Heute kann Thorsten Hundertmark wieder klar sprechen und auch die Lähmungserscheinungen in seiner rechten Körperhälfte sind fast vollständig zurück gegangen. Doch eine Folge blieb: Seinen rechten Arm kann Thorsten heute nicht richtig bewegen. Allerdings ist er noch immer auf regelmäßige Anwendungen angewiesen. „Wenn ich die Therapien mal zwei Wochen auslasse, versteife ich wieder derartig, dass ich mir unter anderem beim Sprechen auf die Zunge beiße, ohne etwas dagegen tun zu können.“
„Hätte ich von den Gefahren durch Zecken gewusst, hätte ich besser vorgesorgt“
Für Thorsten spielten Zecken und FSME vor seiner Erkrankung keine Rolle. Wie viele andere Menschen auch, war FSME für den Emsländer vor allem ein süddeutsches Thema. Erst nach seiner Erkrankung erfährt er, wie wichtig die richtige Zecken- und FSME-Vorsorge auch in nördlichen Regionen Deutschlands ist, und dass eine FSME-Impfung höchstwahrscheinlich die Infektion verhindert hätte.
Seine FSME-Erkrankung hat das Verhältnis des heute 53-jährigen zur Natur nicht beeinträchtigt. Noch immer ist er gerne mit seinem Hund im Grünen unterwegs, nur nicht mehr mit so festem Schritt wie vor seiner Erkrankung. Auch seinen alten Beruf als Taxiunternehmer konnte er inzwischen wieder aufnehmen.
Und auf eine Sache ist er besonders stolz: „Ich war einer der letzten gemeldeten FSME-Fälle im Emsland, bevor es zum Risikogebiet wurde. Ich bin mir sicher, dass meine Erkrankung zu dieser Entscheidung beigetragen hat.“ Und so konnten durch sein Schicksal vielleicht schon andere FSME-Fälle in der Region verhindert werden.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärte den Kreis Emsland 2019 zu einem sogenannten FSME-Risikogebiet. Die Ständige Impfkommission empfiehlt allen Personen, die einem FSME-Risikogebiet leben oder planen, dorthin zu reisen, und mit Zecken in Kontakt kommen können, die FSME-Impfung. Dazu weiß Thorsten: „Als Risikogebiet wird die Impfung im Emsland von der Krankenkasse übernommen und ich empfehle jedem das Angebot anzunehmen und sich impfen zu lassen.“ Die STIKO empfiehlt die Impfung ebenfalls allen Personen, die im FSME-Risikogebiet mit Zecken in Kontakt kommen können – also auch im Urlaub auf einem Ausflug in ein solches. Wer hierfür einen kurzfristigen Impfschutz braucht, kann ein schnelles Impfschema nutzen.